Seidenspinner (Bombyx Mori)
Schau genau hin – du stehst gerade vor einem der faszinierendsten Insekten, die der Mensch je kennengelernt hat: der Raupe des Seidenspinners (Bombyx mori).
Vielleicht siehst du, wie sie langsam ein Blatt frisst – oder dass sie sich kaum bewegt, eingehüllt in ihren selbst gesponnenen Kokon. Seit über 5.000 Jahren lebt diese Raupe Seite an Seite mit uns Menschen. Sie stammt ursprünglich aus China und wurde domestiziert, um etwas ganz Besonderes zu liefern: Seide, eine der wertvollsten Naturfasern der Welt.
Was du hier siehst, ist das Ergebnis von tausenden Jahren Zucht. Menschen haben gezielt Tiere ausgewählt, die besonders langfaserige Seide produzieren, ein ruhiges Wesen haben und größer sind als andere. Dadurch ist die Seidenraupe heute völlig auf uns angewiesen. Ohne frische Maulbeerblätter – wie du sie hier siehst – könnte sie nicht überleben. Heute können die Falter nicht mehr fliegen und sich kaum selbst verteidigen. In der freien Natur wären sie chancenlos.
Tatsächlich kommt die Art, die du hier siehst, in freier Wildbahn überhaupt nicht vor. Ihre gesamte Entwicklung – vom Ei zur Raupe, zur Puppe im Kokon und schließlich zum Falter – passiert in von Menschen kontrollierten Umgebungen. Für die Seidengewinnung werden in den meisten Fällen die Kokons genutzt, noch bevor der Falter überhaupt schlüpfen kann. Die Raupe stirbt dabei.
Seidenraupen sind auch für die Wissenschaft sehr wichtig. Ihr einfaches Genom macht sie zu einem beliebten Modellorganismus. Ihre Seide ist extrem reißfest, flexibel und verträglich mit dem menschlichen Körper – das macht sie interessant für medizinische Forschung, zum Beispiel für künstliche Gewebe oder feine chirurgische Nähte.
Hier im BIOTOPIA Lab darfst du die Tiere ganz ohne Zeitdruck beobachten. Sie werden nicht zur Seidengewinnung gehalten, sondern dürfen ihren kompletten Lebenszyklus durchlaufen. Vielleicht siehst du bald, wie eine Raupe beginnt, ihren Kokon zu bauen – oder du siehst ein Falterweibchen, das winzige Eier legt, aus denen bald neue Raupen schlüpfen.
Nimm dir einen Moment, um dir vorzustellen, wie es ist, in der Haut – oder besser: im Kokon – dieses Tiers zu stecken. Was braucht es zum Überleben? Wie fühlt sich seine Welt an?