Die Farben der Tulpen

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Zur Frühlingszeit tauchen sie das erste Mal wieder auf. Versteckt zwischen den Resten von weißem Schnee und braunen, kahlen Bäumen und Büschen: die ersten Farben des Jahres. Hier und da kann man auf grünen Wiesen kleine Farbtupfer entdecken und sich an ihnen erfreuen. Doch habt Ihr euch schon einmal gefragt, was das Geheimnis hinter diesen Farben ist?


Auf einen Blick

  • Geeignet für Altersgruppe: ca. 10-14 Jahre
  • Besonders interessant für: Hobby-Botaniker, Pflanzenexperten und zukünftige Forscher*innen
  • Dauer: ca. 40 min + etwas Wartezeit

Material

Gebraucht wird:

Ein Strauß rot-gelber Tulpen

Filterpapier (z.B. weiße Kaffeefilter)

Hochreiner Quarzsand (z.B. feiner Quarzsand fürs Aquarium)

Brennspiritus (ohne Aceton und HCl)

Farbloses Babyöl

Leitungswasser


Ablauf

Schritt 1: Blütenblätter ernten

Zuerst müsst Ihr die Blütenblätter von drei Tulpenblüten (das sind ungefähr 18 Blätter) abzupfen und mit der Schere so fein wie möglich zerschneiden.

Schritt 2: Blüten zu einer Paste verarbeiten

Anschließend gebt Ihr die Blütenblätter zusammen mit einem gestrichenen Teelöffel Quarzsand und ein wenig (2 – 3 TL) Spiritus in die Reibschale und beginnt diese kräftig zu zerreiben.

Sobald die Masse teigig zu werden beginnt, reibt ihr geduldig für einige Minuten weiter und gebt nach und nach so viel Brennspiritus hinzu, bis eine gießbare, tiefrote Farblösung entsteht.

Schritt 3: Trichter vorbereiten und die Paste abgießen

Stellt den Trichter in das Reagenzglas und legt ihn mit einem mehrmals mittig gefaltetem Filterpapier aus. Schneidet das Filterpapier dafür kreisförmig aus.

Danach gießt Ihr den Inhalt der Reibschale in den Trichter und wartet bis die Lösung durch das Filterpapier in das Reagenzglas gelaufen ist.

Schritt 4: Babyöl und Wasser zugeben

Anschließend vorsichtig etwa die gleiche Menge Babyöl zum Filtrat zugeben und so lange vorsichtig schütteln bis die Lösung homogen (einheitlich) aussieht.

Als letzten Schritt gebt Ihr etwa die gleiche Menge (Spiritus + Öl) Wasser zu und schüttelt das Reagenzglas vorsichtig (nicht zu heftig)

 

Wie viel Öl und Wasser braucht Ihr denn nun genau?

Das lässt sich leider nicht so genau sagen, weil jeder von Euch unterschiedlich viel Filtrat erhält. Das Filtrat ist das, was nach dem Filtern übrig bleibt. Mit der Skizze könnt Ihr aber ungefähr abschätzen, wie viel Öl und Wasser Ihr zugeben müsst.

Schritt 5: Warten und Beobachten

Nun könnt Ihr Euch entspannt zurücklehnen und Euer Glas beobachten.

Nach und nach könnt Ihr eine sogenannte Phasentrennung beobachten. Das bedeutet nichts anderes, als dass sich das Öl und das Wasser wieder trennen. Dieses Phänomen habt Ihr vielleicht schon einmal beim Salatdressing machen beobachtet.

Das Öl hat in Eurem Experiment eine gelbe Färbung angenommen und ist die obere Phase in Eurem Reagenzglas. Das Wasser ist inzwischen rot. Diese Phase befindet sich im unteren Teil.

Viel Spaß beim Beobachten!

Erfahrt mehr!

Um zu verstehen, wie das Experiment funktioniert, müsst Ihr zunächst einmal wissen, wie eine Zelle aufgebaut ist. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass die Zellen von Tieren, Pflanzen und Pilzen alle ein bisschen anders aussehen und aufgebaut sind. Das ergibt Sinn, denn jeder Organismus hat andere Ansprüche. In diesem DIY-Versuch arbeitet ihr mit Blütenblättern von Tulpen, also mit Pflanzenzellen.

Eine Pflanzenzelle hat eine feste Hülle: die Zellwand. Sie umschließt das so genannte Cytoplasma. Das ist das Innere der Zelle und hat eine Konsistenz wie Wackelpudding. Darin finden sich die restlichen Teile der Zelle. Zum Beispiel die Vakuole, die hauptsächlich aus Wasser und Nährstoffen besteht und am meisten Platz braucht. Um Stoffe aus dem Inneren der Zelle zur Zellwand zu transportieren, gibt es das endoplasmatische Retikulum (ER). Ribosomen braucht die Zelle für die Herstellung von Eiweißen und den Bau von neuen Zellen. Die Zellwand hingegen wird zu einem großen Teil mit der Hilfe des Golgi-Apparats aufgebaut. Die Aufgabe der Mitochondrien ist grob zusammengefasst die Energiegewinnung. Im Zellkern versteckt sich die DNA, also der Bauplan der Zelle.

Und wieso färben sich die beiden Phasen jetzt unterschiedlich?

In der oberen Öl-Phase sammeln sich die fettlöslichen (lipophilen) Blütenfarbstoffe, die in den Chromoplasten der Zellen der Tulpenblüte enthalten sind. In der unteren Wasser-Phase konzentrieren sich die wasserlöslichen (lipophoben) Blütenfarbstoffe, die in den Vakuolen der Zellen der Tulpenblüte enthalten sind. Je geduldiger wir die Blütenblätter mit dem Sand in der Reibschale zerrieben haben desto mehr Zellen, Vakuolen und Chromoplasten haben wir aufgebrochen und die Farbstoffe in Spiritus (Ethanol) gelöst. Im Gegensatz zum Wasser und Öl lösen sich lipophile und lipophobe Substanzen gleichermaßen in Ethanol.

Bei den roten, wasserlöslichen Blütenfarbstoffen der geflammten Tulpe handelt es sich um Anthocyane.

Bei den gelben im Öl gelösten Blütenfarbstoffen der geflammten Tulpe handelt es sich um Carotinoide.

Carotinoide und wo sie zu finden sind

Die meisten Carotinoide sind fettlöslische Pigmente (Farbstoffe). Obwohl nicht alle die gleiche Farbe haben, fasst man sie anhand ihres chemischen Aufbaus als Gruppe zusammen (Tetraterpene, aus acht Isopreneinheiten). Sie können normalerweise nur von Mikroorganismen, Pilzen und Pflanzen neu synthetisiert (hergestellt) werden. Menschen und Tiere, für die Carotinoide ebenfalls überlebenswichtig sind, können diese sie hingegen nicht selbst produzieren und müssen sie mit der Nahrung aufnehmen. Die einzige Ausnahme sind Blattläuse, bei denen mehrere Arten das Gen zur Carotinoid Herstellung von Pilzen erworben haben. Das funktioniert dank des sogenannten horizontalen Gentransfers.

Carotinoide wandern kreuz und quer durch die Nahrungsketten. Sie sind verantwortlich für das „Gelbe im Ei“, die Röte von Koi, Goldfisch und Lachsfleisch. Sie sind verantwortlich dafür, dass blaue Krebse (Hummer, Garnelen,…) in heißem Wasser rot werden. Sie sorgen für den gelben Schnabel der Stockenten-Erpel, die damit um die Gunst der Enten buhlen (je gelber der Schnabel, desto besser sieht der Erpel für die Enten aus) und noch viele weitere.

Bei uns Menschen ist Beta-Carotin die Vorstufe zum Provitamin A und unter anderem wichtig für unser Immunsystem und den Sehprozess. Daher heißt es auch, man solle immer seine Karotten aufessen, damit man besser sieht.

Weitere mini-Experimente mit Carotinoiden

Versuch 1:

Schlagt ein Bio-Ei und konventionelles Ei in ein transparentes Glas und vergleicht die Farbe des Dotters. Meistens werden konventionelle Legehennen mit so viel Carotinoid-angereichertem Futter gefüttert, dass der Dotter fast rotorange erscheint. Bio-Betriebe füttern zwar auch Carotinoide zu aber selten im gleichen Ausmaß. Wenn man Bio-Eier aus verschiedenen Quellen aufschlägt, findet man die unterschiedlichsten Gelb-Nuancen.

Versuch 2:

Wenn es bei euch mal wieder Meeresfrüchte zum Essen gibt, werft eine blaue Garnele in ein transparentes Glas mit heißem Wasser. Während des kochens könnt Ihr sehen, dass das anfangs blaue Tier allmählich rot wird. Der Protein-Bestandteil des blauen Protein-Carotenoid-Komplexes denaturiert (wird zersetzt) und das rote Carotinoid mit dem klangvollen Namen Astaxanthin wird sichtbar.

Weiterführende Links

  • Carotinoide für die Gesundheit (Artikel für Erwachsene):
    Carotinoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die der menschliche Körper in Vitamin A umwandelt. Sie spielen eine bedeutende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Immunabwehr. Dadurch schützen sie vor Infektionskrankheiten und fördern die Bekämpfung von Krebsgeschwüren.© DAN Netzwerk Deutscher Apotheker GmbH
  • Farbe bei Tieren und Pflanzen (Artikel für Kinder und Erwachsene):
    Man spaziert durch die Welt – und hält manchmal bezaubert inne. Zu prächtig sind die Farben der Natur, als dass man sie übersehen könnte. Besonders faszinierend für viele von uns ist die Farbenpracht vieler Tierarten. Doch Vögel, Fische, Amphibien und andere färben sich nicht grundlos knallbunt.
    © WDR Mediathek